Zwetschgenknödel – Für die Seele und die Erinnerung

Es gibt immer noch Zwetschgen,… Für Zwetschgenknödel. Und Reineclauden (Ringlo, wie sie in Bayern heißen), Aprikosen, Pflaumen,… Steinobst hat gerade Hochsaison. Leider gibt es keine Mirabellen mehr. Jede Woche hatte ich mir vorgenommen, Mirabellenmarmelade für meinen HerrnBpunkt zu kochen. Er isst grundsätzlich alle Marmeladen gerne, doch für Mirabellenmarmelade macht er, sagen wir einfach, fast alles,… Vielleicht haben Sie ja irgendwo ein Glas herum stehen und wir könnten, zum Beispiel gegen BBQ Soße, oder Amarenakrischen tauschen. Was meinen Sie dazu?

Tja, diese Woche hatte ich endlich Zeit frei geschaufelt und was war? Mein Markthändler des Vertrauens hat keine Mirabellen mehr dabei. Das hat mich kurzzeitig in eine tiefe, verstörende Trauer gestürzt. Dadurch war ich natürlich sofort fürchterlich unterzuckert und musste dringend eine süße Hauptspeise, für mein Seelenheil, Sie verstehen, zubereiten. Wenn es Ihnen jetzt auch pressiert, können Sie hier schon mal zu dem Rezept für Zwetschgenknödel huschen.

Aber dafür hatte er Zwetschgen dabei.

Zwetschgen liebe ich ja sehr, habe ich Ihnen ja neulich schon erzählt. Beim Zwetschgendatschi und Zwetschgencrumble vom Grill. Crumble vom Grill, glauben Sie nicht? Dann lesen Sie halt nach, ich bin Ihnen da nicht böse,…

Und es gibt auch noch einen anderen Grund, warum ich Zwetschgen in Form von Zwetschgenknödel liebe. Schließlich könnte man sie ja auch mit Pflaumen machen. Oder Aprikosen. Ringlo dürften zu saftig sein. Und Mirabellen zu winzig.
Ich hatte Ihnen ja schon ab und zu mal von meiner Familie erzählt. Von meinem Papa, meinem Opa. Da gab es mal die Ananassahnetorte im Fluss der Zeit und die Geschichte vom süßen Kraut und dem Tod.

Das war ein etwas unbequemer Artikel.

Und jedes Jahr, um diese Zeit holt mich diese Geschichte wieder ein. Meine Geschichte, unsere Geschichte.

Zwetschgenknödel Enjoyfood soulfood Familie FrauBpunkt Rezept (1 von 22)

Zwetschgenknödel Enjoyfood soulfood Familie FrauBpunkt Rezept (4 von 22)

Mein Papa hätte am 7. November Geburtstag gehabt.

Er wäre dieses Jahr 80 Jahre alt geworden. Doch darf ich Ihnen erzählen, dass er vor drei Jahren, im November, verstorben ist. Ich darf das erzählen? Ja! Denn genau so ist es. Ich bin traurig, denke viel an ihn. Vor allem an vollkommen unsinnigen Gelegenheiten. Und das ist schön und richtig.

Mein Papa, unser Opa, lebt in unseren Erinnerungen weiter. Dafür brauche ich kein Grab, keine Devotionalien. Ich muss nicht ständig darüber reden oder das Sterbebildchen irgendwo herumstehen haben. Er ist in meinem Herzen, meiner Seele, in meinem Gesicht, meinem Wesen. Er war einer der Menschen, die mich stark geprägt, beeinflusst und geformt haben. Jahrelang habe ich gebraucht, nicht immer zu denken „was würde Papa dazu sagen“, wenn ich eine Entscheidung getroffen hatte. Kennen Sie das?

Je älter ich werde,

desto mehr kann ich diese Eigenschaften reflektieren. Darüber lachen, sie mir zu Nutze machen. Alle Menschen, die uns in unserem Leben begleiten, machen uns zu dem, was wir heute, im Jetzt, sind. Die Menschen, die wir lieben, geliebt haben. Unsere Freunde, Geschwister, die weise Kinderärztin, die uns am Anfang mit unseren Kindern unterstützt hat. Kollegen mit denen wir arbeiten, uns unterhalten. Ein Vorgesetzter, der uns an den Rande des Nervenzusammenbruchs bringt, ein anderer, der unser Potential erkennt und fördert. Auch die Menschen formen uns, die uns verletzen, uns unserer Mauer berauben, uns nieder machen. Sei es, um sich selbst zu erhöhen, oder weil sie es nicht anders können. Gerade in der heutigen Zeit, in unserer medialen Kommunikationswelt können uns sogar Menschen treffen, die wir nicht einmal persönlich kennen. Für die wir nur eine Buchstabensuppe im schwarzen Moloch des Internets sind.

Zwetschgenknödel Enjoyfood Soulfood FamilieO FrauBpunkt Rezept (1 von 1)

Zwetschgenknödel Enjoyfood Soulfood FamilieO FrauBpunkt Rezept (4 von 6)

All diese Menschen sind wichtig.

Ich gebe zu, dass ich liebend gerne auf einige und einiges an Erlebnissen verzichtet hätte. Doch mittlerweile kann ich aus allen Erfahrungen etwas lehrreiches gewinnen. Selbst verbale Angriffe haben ihr Gutes, wenn wir gelernt haben, daraus Schlüsse zu ziehen.

Als mein Papa noch gelebt hat,

waren meine Eltern mindestens zweimal im Jahr bei uns zu Besuch. Ich hatte beim 70. Geburtstag meiner Mama ja schon mal von einer unvergesslichen Zugfahrt dorthin erzählt. Sie wollten immer helfen, etwas tun und nicht nur herum sitzen. Also hat mein Papa unser Treppengeländer lackiert, Erinnerungskisten gebaut, das Flusensieb der Waschmaschine geleert, Löcher gebohrt, die Heizungsanlage untersucht…

Problematisch war dann nur immer, was ich gekocht habe. Denn bisweilen gingen und gehen unsere Ernährungsgewohnheiten drastisch auseinander. Kennen Sie das? Ist das bei Ihnen und Ihren Eltern auch so?

Es gibt Gerichte, die schmecken einfach am allerbesten, wenn sie die Mama kocht. Dann gibt es Gerichte aus der Kindheit, die ich schon lange aufgenommen und abgewandelt habe, so dass wir sie mögen. Ich stelle immer wieder fest, dass gerade bei den Beilagen ganz große Unterschiede waren. Couscous oder so ein Bulgur, das war der Elternschreck für die beiden, ich sag es Ihnen!

Und dann gibt es Gerichte, die verursachen Herzklopfen. Also, bei mir zumindest.

Mein Papa

hat nicht so viele Geschichten aus seiner Kindheit erzählt. Es waren eigentlich immer die selben, wenn ich mich so erinnere. Und doch habe ich es geliebt, wenn er erzählt hat. Wir alle haben zugehört, gelauscht, gelacht,… Irgendwann erzähle ich Ihnen mal die Geschichte von ihm und meiner Tante, als sie mit einem Bollerwagen am Bahnhof Äpfel verkauft haben. Ich schwöre Ihnen, das ist meine ganz echte und wirkliche Lieblingsgeschichte!

Mein Papa und meine Tante sind beide bei ihrer Großmutter in Rumänien aufgewachsen. In Sântana um genau zu sein. Mein Opa war im Krieg und meine Oma wurde in ein Arbeitslager deportiert.

Die beiden Kinder

lebten also mit Ihrer betagten Großmutter (mein Papa hat auch immer Großmutter gesagt, nie Oma) auf einem kleinen Hof in einer kleinen Stadt. Ich erinnere mich, als kleines Kind einmal dort gewesen zu sein. Es gab staubige, ungeteerte Straßen, einen Graben, an den Höfen entlang. Um den Hof war ein hoher Bretterzaun. Im Hof gab es einen Brunnen mit sehr sehr kaltem Wasser. Ich weiß das deshalb, weil mein großer Bruder, Sie wissen schon, der mit der Hochzeitsfotografie, der so tolle Fotos zu unserem Jahrestag gemacht hat, mich von oben bis unten mit Schlamm eingerieben hat. Ich habe mich auch nicht gewehrt. Logisch, der große Bruder spielt mal mit mir,…

Dann kam die Großmutter, und schrubbte mich, unter Gelächter des Bruders, ich hab eher nicht gelacht, mit Brunnenwasser sauber.

Zwetschgenknödel Enjoyfood Soulfood FamilieO FrauBpunkt Rezept (3 von 6)

Zwetschgenknödel Enjoyfood Soulfood FamilieO FrauBpunkt Rezept (5 von 6)

Es gab Hasen,

Hühner, Enten und Gänse. Ab und zu wurde eine Sau gehalten und gemästet, um sie dann zu schlachten und unter anderem Wurst daraus selbst zum machen. Überhaupt wurden die meisten Lebensmittel des täglichen Bedarfs selbst angebaut. Und Schnaps gebrannt, Likör und Wein hergestellt.

Mein Papa war, als er alt genug war, zuständig für die Ernte. Es wurden viele Zwetschgen für den typischen Schnaps verwendet. Dann wurden welche eingekocht, zu Marmelade verarbeitet, verkauft,… Und ein Teil wurde, immer wenn es das Gericht gab, frisch vom Baum gepflückt. Mein Papa war der König, der Paul Bocuse der Zwetschgenknödel mit Butterbröseln. Er hatte eine Meisterschaft erlangt und war immer zuständig, wenn es dieses Gericht geben sollte. Um genug Zwetschgen zu haben, hat er immer welche auf dem Baum belassen und am Tag der Zubereitung der Zwetschgenknödel frisch geerntet.

Nun hatte es im Jahr, als mein Papa gestorben ist, eine reiche Ernte. Wir haben hier im Dorf wilde Zwetschgensträucher und ich ging los, um welche zu pflücken.

Ich hatte davor schon

immer mal wieder Zwetschgenknödel zubereitet, einfach, weil ich mich auch nicht blamieren wollte.

So hab ich meinem Papa, meiner Mama und meiner Familie, so gut ich konnte, die Zwetschgenknödel gekocht. Und soll ich Ihnen was verraten? Mein Papa hatte Tränen in den Augen. Natürlich hat er, während er gegessen hat, die Geschichte von den Zwetschgenknödel und was es alles noch so bei der Großmutter gab, erzählt. Er hat unglaubliche vier Stück verdrückt. Bitte geben Sie Bescheid, wenn Sie das auch schaffen. Also ich scheitere kläglich bei 2,5,…

Er hat nach dem Essen, das hat er sonst nie gemacht, gesagt, dass die Zwetschgenknödel genau so geschmeckt haben, wie er sie als Kind in Erinnerung hat. Ja, es wären sogar die besten Zwetschgenknödel, die er jemals gegessen hätte.

Ich darf also hier voller Stolz mein Rezept für Zwetschgenknödel präsentieren. Lange erprobt, heiß geliebt und einfach wahnsinnig gut für Bauch und Seele! Neumodisches Souldfood halt. Mit mächtig vielen Kalorientierchen,…

Zwetschgenknödel Enjoyfood soulfood Familie FrauBpunkt Rezept (11 von 22)

Zutaten

1 kg Kartoffeln mehlig
100 g Kartoffelstärke
50 g Mehl (evtl. etwas mehr)
1 Ei
½ TL Salz
1 Prise Zimt
10-12 Zwetschgen
10-12 Stück Würfelzucker
200 g Semmelbrösel
100 g Butterschmalz
50 g Zucker
½ TL Zimt

Zwetschgenknödel Enjoyfood soulfood Familie FrauBpunkt Rezept (19 von 22)

Zubereitung

Erst die Kartoffeln samt Schale garen, etwas abkühlen lassen und dann schälen. Die Kartoffeln durch eine Presse drücken.

Die Zwetschgen, während die Kartoffeln kochen, waschen, trocknen und entkernen. Dabei möglichst nur einen kleinen Schnitt machen.

Erst das Eigelb, das Mehl, Kartoffelstärke, Zimt und Salz mit den Kartoffeln vermengen. Evtl. noch etwas vom Eiweiß oder mehr Mehl dazu geben. Wenn alles vermengt ist, erst einmal die Hände waschen. (Sonst wird der Teig immer kleben und Sie benutzen viel zu viel Mehl,…) Dann noch einmal kneten. Der Teig sollte seidig sein, nicht mehr kleben und gut formbar sein.

Flache, etwa handtellergroße Fladen formen. In die Mitte die entkernte Zwetschge, gefüllt mit einem Zuckerwürfel, setzen. Den Teig schließen und zu kleinen runden Bällen formen. Das gelingt am besten mit leicht feuchten Händen. Das bedeutet, Sie waschen sich die Hände und tupfen sie „schlampig“ an einem Geschirrtuch trocken.

Salzwasser in einem großen Topf (notfalls 2 Töpfe) zum kochen bringen und die Knödel vorsichtig hinein gleiten lassen. Ca. 20-25 Minuten gar ziehen lassen, nicht mehr kochen!

Das Butterschmalz erhitzen und die Semmelbrösel leicht anbräunen lasse. Den Zimt und Zucker dazu geben, die Knödel vorsichtig darin rollen und sofort servieren.

Die Zwetschgenknödel mit Zimtzucker und Vanillesoße, vielleicht noch ein Zwetschgenkompott servieren.

Nun darf ich Ihnen anvertrauen,

dass ich damals schon geahnt habe, dass er nicht wieder zu Besuch kommen wird. Er hat die Tage, die wir gemeinsam verbracht haben, unglaublich bewusst genossen. Es war laut, herzlich, emotional, leise und irgendwie anders. Vielleicht ahnt man ja selbst, wenn man gehen muss,… Ich weiß es nicht.

Für mich ist diese Erinnerung seither mit Zwetschgenknödel verwoben. Unwiederbringlich. Und das ist wunderbar und gut so!

Meine Mama kommt im Oktober wieder und stellt unser Haus auf den Kopf. Sie liebt es, im Garten zu buddeln, den Keller umzuräumen, DerTeen etwas zu nähen. Vielleicht zeigt ihr die dann erlernte Sachen aus dem Beautyseminar von neulich. Wir freuen uns auf diese kostbaren Tage, die wir gemeinsam verbringen können. Denn wer weiß, wie lange wir uns alle haben! Wenn das Wetter her hält, wollen wir ein Lagerfeuer machen, spazieren gehen, grillen, Freunde dazu einladen. Wir werden reden, lachen und streiten, uns wieder versöhnen und alle Momente, wie kostbare Perlen aufbewahren. In einem kleinen Kästchen, mit Samt ausgekleidet, in unseren Herzen.

Wenn man dieses Kästchen öffnet, ist es, wie wenn der Regenbogen über den Himmel zieht,…

Ich überlege jedenfalls auch schon mal,

was ich dann alles kochen werde. Zwetschgenknödel sind schon auf der Liste. Und einmal Hühnchen vom Grill, ach ja, Rouladen wären auch fein. Haben Sie noch mehr Ideen? Wünsche?

Kennen Sie solche Gerichte? Gerichte, die Sie an geliebte Menschen erinnern? Wie meine Zwetschgenknödel,… An Begebenheiten aus Ihrer eigenen Kindheit vielleicht? Oder eine Leckerei, die Sie einfach an ein einschneidendes Erlebnis in Ihrem Leben erinnert? Was ist da passiert? An was denken Sie? Erzählen Sie mir davon, das tut gut und gibt uns allen die Gelegenheit aneinander zu wachsen.

In diesem Sinne,

Ihre FrauBpunkt

Zwetschgenknödel Enjoyfood soulfood Familie FrauBpunkt Rezept (13 von 22)