Darf man einfach so vom Tod schreiben?
Und was bedeutet mir süßes Kraut? Eigentlich hatte ich gerade eben etwas ganz anderes vor, süßes Kraut kochen zum Beispiel. Oder so profane Dinge wie Wäsche machen, Unkraut jäten und einkaufen gehen. Mir geht der Zucker aus. Das geht schon mal gar nicht. Erstens, weil ich meinen Kaffee immer mit Zucker trinke und zweitens weil ich noch Eiweiß von den tollen Bacon Love Cookies übrig habe. Da wollte ich mal wieder Suspiros, also Baiser, backen. Die kann man immer gut gebrauchen. Als Komponente im Nachtisch, als Teil einer Torte, Dekoration von selbiger, oder aber auch, zum einfach so weg inhalieren, wie das unsere Kinder immer machen, wenn sie die Dose damit in die Finger bekommen,…
Doch ich war gerade Gassi. Und da habe ich mich mit einer lieben Freundin unterhalten. Die geht nämlich seit Neuestem auch immer Gassi, weil sie zwei Hunde geholt haben. Die Schwiegermama dieser Freundin hat Krebs.
Sie hat die Diagnose letztes Jahr,
ich glaube im Mai, bekommen. Wirklich fies daran ist, das die Frau erst 55 geworden ist, den Jakobsweg gemeistert hat, in einer unglaublich tollen körperlichen Konstitution ist. Sie lebt gesund, raucht nicht, trinkt nur selten mal ein Glas Wein. Hat ein tolles, erfolgreiches Leben, geerdet, naturnah und einer tollen Familie.
Die Diagnose Krebs an Magen und Speiseröhre wurde dann als inoperabel eingestuft. Die Fachklinik gab ihr noch 8, maximal 12 Wochen zu leben. Mit einer Chemotherapie könne man noch ein wenig hinauszögern, aber nicht wirklich viel. Nun hat diese Frau um ihr Leben gekämpft. Jeden Moment genossen. Die ganze Familie ist gemeinsam in den Urlaub gefahren, ist enger zusammen gerückt. Es kam der Herbst, Weihnachten,…
Nein, ich muss Sie jetzt enttäuschen. Die Frau hat keine Wunderheilung erfahren, nicht mit ihrem Glauben den Krebs besiegt. Oder mit irgendwelchen vergorenen Hirngespinsten in Saftform die bösen Krebszellen vernichtet.
Sie stirbt. Gerade eben. Im Moment während ich schreibe, meinen Kaffee koche, bei Facebook gucke. Stirbt sie.
Warum schreibe ich das? Das ist doch nicht schön,… Oder gar angenehm. Witzig schon gar nicht. Ist es nicht pietätlos darüber zu schreiben? Am Ende sogar ein Rezept zu posten? Was soll denn das? Warum mache ich das?
Es ist unglaublich wichtig! Und Teil unseres Lebens. Sowohl der Tod, als auch das Essen. Und Erinnerungen, die uns an beides binden.
Wie können wir lernen, bewusster zu leben, wenn wir den Tod nicht kennen, verstehen und annehmen?
Die Familie der Frau hat sich versammelt. Sie gucken gemeinsam Tom Cruise Filme, denn sie mag den Schauspieler so gerne. Sie selbst liegt in einem Pflegebett, bekommt das alles nicht mehr mit. Hat einen Morphiumtropf, einen Spray und Schmerzpflaster hinter den Ohren. Nahrung wurde vor 5 Tagen eingestellt. Wenn man ihr sagt, dass alle Tom Cruise gucken lacht sie, infantil, wie ein Kind. Gnädig weg geschossen von der Schmerzmitteldröhnung. So nah am Tod wie seit 2 Tagen war sie noch nie, sagt die Familie. Als der Arzt ihr vor einigen Wochen angeboten hat, langsam eine Art Schlaf einzuleiten, der es ihr leichter machen kann, die Schwelle zu überschreiten, wollte sie nicht. Vor zwei Tagen hat sie begonnen, Schiffchen aus Papier zu basteln, Pausenbrote für die erwachsenen Kinder zu schmieren. Dann durfte der Arzt kommen.
Und jetzt dämmert sie und alle warten. Sie stirbt. Mit 55 Jahren, mitten aus dem Leben. Ab und zu zeigt sie mit der Hand nach oben.
Die Geste kenne ich.
Als mein Papa im Krankenhaus lag, Lungenkrebs im Endstadion und einen Hirnschlag, der ihm seine Sprache, seine Beweglichkeit und seine Möglichkeit zu Essen nahm, war ich bei ihm.
Wir wechselten uns alle ab. DieLpunkt las ihm Fussballnachrichten aus der Zeitung vor, DerCpunkt kuschelte mit ihm und entwarf ein Stofftier, das wir ihm genäht und dann gebracht haben. Mein Bruder saß ohnmächtig und ein wenig wütend daneben. Meine Mama war einfach nur verzweifelt und weinte viel.
Und ich? Ich suchte in mir nach Gefühlen.
Wir hatten fast 7 Jahre, nach seiner Lungenkrebsdiagnose, geschenkt bekommen. 7 Jahre in denen er noch so vieles mit erleben konnte. In denen wir uns verabschieden konnten. Wir hatten alle mit einem Tod durch Ersticken gerechnet, nicht mit so einem windigen, blöden Schlaganfall. Das war überraschend. Vielleicht aber sogar für ihn gnädiger, wie die Alternative, die auf ihn gewartet hatte. Mit der Hand, die er bewegen konnte, versuchte er immer, sich die ganzen Kabel ab zuzuppeln. Er war bei klarem Verstand, konnte mit Blinzeln antworten. Doch er selbst wollte das alles nicht mehr.
Er zeigte mit der Hand nach oben, nach draußen, in den Himmel.
Ich saß also da, traurig, sehr traurig und habe nachgedacht. Während ich ihm die Füße massierte, ihn streichelte, bei ihm war, spürte ich in mich hinein. Ja, ich war traurig. Ich wollte nicht, das mein Papa stirbt. Aber durfte ich das denken? Ist es richtig, das zu verlangen?
Ich habe meinem Papa folgendes gesagt, als er an mich hin gezupft hat:
Du hast für uns alles gegeben, uns zu den Menschen geformt, die wir jetzt sind. Wir wissen nicht, wie und wohin uns unsere Wege weiter führen. Doch was immer auch geschieht, keiner von uns wird allein sein. Du wirst immer da sein und wir, wir werden uns umeinander kümmern.
Die Jahre nach Deiner Operation waren für Dich und für uns alle ein großes Geschenk. Wir haben gelernt, glücklich mit dem zu sein, was wir haben und jeden Moment zu nutzen.
Wir waren stark und sicher, weil wir immer wussten, dass Du für uns da sein wirst. So viele schöne Zeiten, Gelächter und auch Streit oder Traurigkeiten haben wir gemeinsam erlebt. Das kann uns keiner nehmen. Es gab viel Lautes, Leises und auch Ungesagtes. Deine Stimme wird weiter bei uns sein, in uns drinnen sind wir durch Dich geprägt. Entscheidungen werden auch künftig logisch und praktisch analysiert, wie Du es uns immer vorgelebt hast.
Danke, dass wir Dich als Papa und auch Opa haben durften. Wir dürfen jetzt einfach näher zusammen rücken, um in Gedenken an Dich, weiter zu leben.
Du hast hier alles erfüllt und neue Aufgaben und Klarheit warten auf Dich! In meinem Herzen ist tiefe Dankbarkeit, ich werde Dich stolz machen!
Fühl Dich frei! Sei unser Schutzengel!
Ja, das habe ich zu meinem Papa gesagt.
Und das er gehen darf. Und das ich ihn liebe! Das er seine Arbeit toll gemacht hat und sie jetzt erledigt ist.
Das hab ich ihm gesagt,…
Das hab ich heute auch meiner Freundin gesagt. Und ich habe geweint, als ich daran gedacht habe. Ich weine jetzt auch.
Doch ich finde es wichtig, das wir Lebenden, Gesunden, es auch irgendwann mal gut sein lassen. Es ist wichtig, den Menschen, die sterben, zu sagen, das sie gehen dürfen. Es ist unsere Pflicht, unsere Erkenntnis, die Bürde zu lösen, die ein Mensch in sich trägt. Und es ist eine Ehre, einen Menschen bei seinem letzten Weg begleiten zu dürfen. Wie in dieser Familie. Alle haben sich frei genommen, verbringen Zeit miteinander, direkt am Krankenbett.
Und wenn ein geliebter Mensch dann verstorben ist. Dann ist es unsere Verpflichtung, ihn nicht zu vergessen. Nicht zu vergessen, wie schön die gemeinsame Zeit war und wie vergänglich unser Leben ist. Unser Leben zu genießen. Die Feste zu feiern, wie sie fallen.
Wir sollten uns an die Menschen erinnern,
die unser Leben geteilt haben. Vielleicht hängen Sie das gruselige 70ger Jahre Kruzefix der Oma in der Küche auf. Einfach nur, weil Sie dann immer an die Oma denken, wenn Ihr Blick das Kreuz streift. Oder Sie benutzen die Schüssel, mit der immer der leckere Kartoffelsalat zubereitet wurde. Erinnern sich beim Backen, wie bei der Ananassahnetorte, an ein Stück Geschichte.
Für mich, ich sammle schon seit Jahren unsere Familienrezepte zusammen und habe auch schon ein Buch damit gestaltet, ist das wichtig. In jedem solchen Gericht steckt ein Stück wertvoller Geschichte. Eine Erinnerung. Eine Wurzel, die tief in unsere Seele ankert.
Mein Papa ist jeden Samstag,
zusammen mit dem Opa, in die nächst größere Stadt zum Wocheneinkauf gefahren. Aldi, Parkauf und Wochenmarkt. Ich bin oft mit gefahren und habe den Spielwarenladen besucht. Genauer gesagt, die Western Barbie, die ich mir erspart habe. Jeden Samstag habe ich sie angeschaut und die Box in den Händen gewogen, bis ich irgendwann das Geld beisammen hatte. Barbies können doch ihre Haxen nur nach vorne und hinten bewegen, quasi, wie eine Schere. Diese Barbie war toll, denn sie konnte so richtig, mit gespreizten Beinen, in Westernart, auf dem Sattel sitzen! Die hatte so Kugelgelenke, die allerdings leider recht schnell ausgeleiert sind, wenn ich mich da richtig daran erinnere.
Unsere Mama kochte
immer ganz spezielle Gerichte samstags. Die gab es tatsächlich, so lange ich mich zurück erinnern kann, immer nur an diesem Wochentag. Kennen Sie solche Gerichte? Vielleicht freitags immer Pfannkuchen? Oh, oder mittwochs diese Blumenkohlsuppe mit Wiener Würstchen? Wo man aus Blumenkohl doch so leckere Sachen machen kann,…
Eines davon war mit Mehl paniertes Hühnchen, Koteletts, oder Halsgrat mit Kartoffelbrei und einem speziellen süßen Kraut. Dieses Gericht schmeckt für mich nach „Samstagen, Kücheneckbank, Sonnenstrahlen, nach Papa isst heute mit, große Stadt besucht, frisches Obst in der Schale,…“
Zubereitung
Das Kraut möglichst fein hobeln. Die Zwiebel in Würfel schneiden.
In einem schweren Topf das Butterschmalz erhitzen und die Zwiebel glasig dünsten.
Jetzt das Kraut und alles, außer den Essig und das Wasser dazu geben. Einige Minuten unter Rühren anbraten.
Mit dem Essig ablöschen, weiter rühren und das Wasser dazu geben.
Jetzt ca. 1,5 Stunden schmoren lassen. dabei immer wieder umrühren und eventuell nochmal ein wenig Wasser dazu geben.
Das Kraut wird im übrigen nicht stark gezuckert. Es heißt süßes Kraut, weil es durch die lange Garzeit süß wird.
Bei der Zubereitung
des Fleisches scheiden sich im HauseBpunkt die Geister. DerCpunkt und ich lieben es genau so, schlabbrig, weich und saftig. HerrBpunkt und DieLpunkt haben offiziell beantragt, dass ihre Portion das nächste Mal vor der „Wässerung“ aus der Pfanne genommen wird. Aber meine Soße teile ich dann nicht mit denen beiden Banausen!
Ich habe hier ein großes Bio Hühnchen ausgelöst und das Fleisch in gleichmäßige Teile geschnitten. Aus der Karkasse gab es eine super leckere Hühnchensuppe. Dafür braucht man nämlich nicht unbedingt das Fleisch. Vielleicht haben Sie ja noch Markknochen im Tiefkühlschrank, oder andere ausgelöste Knochen,… Einfach rein damit in den Topf und schwupps hat man eine herrliche Brühe.
Sie könnten aber auch schöne Schweinekotletts oder Halsgrat verwenden. Mit Kalbskotletts kann ich mir das Gericht auch gut vorstellen. Sie sehen, es gibt viele Variationen!
Zubereitung
Das Hühnchenfleisch in gleichmäßige Stücke schneiden, waschen, abtupfen.
Die Eier mit Salz und Pfeffer in einem Suppenteller verschlagen. Mehl in einen zweiten Suppenteller sieben.
Die Hühnchenteile einzeln erst im Ei, dann im Mehl wenden.
In einer schweren Bratpfanne das Butterschmalz erhitzen. Die Hühnchenstücke darin goldbraun garen. Dabei immer wieder vorsichtig wenden und evtl. mehr Fett zufügen.
Entweder langsam fertig braten, oder aber kurz vor Ende der Garzeit ca. 350 ml Wasser in die Pfanne geben und weitere 10 Minuten mit Deckel köcheln lassen.
Das Gericht
ist typisch für die Heimat meines Papas. Ich hatte ja schon einmal berichtet, dass er aus Sanktanna in Rumänien stammt. Hier ist auch ein weiterer Klassiker aus meiner Kindheit, die Grumperten Nudeln, beheimatet. Man hat dort immer mit reichlich Fett, Zwiebeln, Mehl und Eiern gekocht. Die Gerichte sind meist einfach, sättigend und für mich, sehr lecker!
Zum süßen Kraut und dem in Mehl paniertem Fleisch gab es entweder Kartoffelsalat, oder was ich viel lieber mochte, selbst gemachten, frischen Kartoffelbrei. Mmmm,… Wenn man eine Kuhle in den Brei, auf seinem Teller, macht kann man da viel von der Soße einfüllen!
Viele Köche schwören darauf, den Kartoffelbrei aus Pellkartoffen herzustellen. Das ist mir, im normalen Küchenalltag jedoch zu aufwendig. Wir finden, so schmeckt der Brei auch superlecker,… Wichtig ist nur, einen Stampfer oder eine Presse zu verwenden. Auf gar keinen Fall, überhaupt nie, gar nicht, sollte man versuchen, Kartoffelbrei mit einem Stabmixer zu zerkleinern. Es sei denn, man möchte schleimigen, klebrigen Kleisterpampf herstellen,…
Zutaten
750g Kartoffeln (geschält und in Stücken)
Ca. 50 ml Milch
1 EL Mascarpone
1 EL Butter
Salz
Muskatnuss
Zubereitung
Kartoffeln in Salzwasser garen, abgießen und anschließend mit Butter, Mascarpone und Milch stampfen.
Die Milchmenge sollte so gewählt sein, dass der Brei nicht zu flüssig und auch nicht zu fest wird. Mit Salz und Muskatnuss abschmecken.
Wir sollten lernen, ehrlich zu sein,
unser Leben nicht mit Dingen zu verschwenden, die uns eigentlich nicht interessieren, berühren. Mehr für uns für unsere Seele zu tun. Nicht nur oberflächlich zu kratzen. Mal die Gerichte unserer Kindheit auszugraben, neu in Szene zu setzen. Und dann ganz wichtig, auch darüber zu reden. Mit den Kindern, dem Partner, Freunden.
Ich glaube,
das ist einer der Gründe, warum ich meinen Blog mit so vielen Geschichten, nicht nur mit Rezepten, fülle. Für mich ist wichtig, täglich mindestens einmal wirklich und echt „gefühlt“ zu haben. Berührt zu werden. Körperlich und auch im Geist. Was nutzt uns das beste, tollste und exquisite Essen, wenn wir es alleine genießen müssen? Ich gebe zu, nicht jeder hat das Glück, einen so tollen Partner zu haben, eine Familie, Kinder. Dann ab nach draußen, irgendwo läuft Ihr Seelenverwandter herum, da bin ich mir sicher!
Oder wie wäre es, dann einfach mal was zu lesen? Seinen Geist heraus zu fordern und ihn nicht mit dem Fernseher zu lähmen? Sich dort berühren zu lassen, laut zu lachen, sich zu verlieren, Tränen weg zu wischen?
Sehr treffend geschrieben!
Vielen Dank lieber Peter!
Hab ne schöne Zeit!
Martina
[…] Der Tod, die Wiedergeburt, das Leben selbst, werden gefeiert. Vielleicht wollen Sie mal meine persönliche Geschichte nachlesen? Außerdem hat das Eieressen zu Ostern einen sehr praktischen Grund. In natürlicher Umgebung […]